Der Verein „Rat für Kulturelle Bildung e. V.“ mit Geschäftsstelle in Essen wird von einem Stiftungsverbund getragen, dem sieben Stiftungen angehören. Der Zusammenschluss ermöglicht es den Stiftungen, gemeinsam starke Impulse für die Weiterentwicklung und Verankerung Kultureller Bildung auf zwei Ebenen zu geben:
Diskurspolitik - durch den unabhängiger Expertenrat „Rat für
Kulturelle Bildung“
Forschung - durch den „Forschungsfonds Kulturelle Bildung“
Aktuelles
Beide sind tätig an der Frankfurt University of Applied Sciences und Gründungsmitglieder des dortigen Instituts für Mixed Leadership. Unterstützt werden sie von ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Hannah Lutz. Bis September wurden Befragungen von zwei Studierendengruppen ausgewertet. Ulrike Gerdiken berichtet hier, wie es zur Definition des Begriffs „Good Leadership“ kam und welche Bedeutung Kulturelle Bildung für die Entwicklung angehender Führungskräfte spielen kann.
Das Gesamtergebnis des Projekts wird im November zusammen mit Handlungsempfehlungen für Unternehmensprogramme mit Kultureller Bildung veröffentlicht. Gefördert wird das Projekt von der Karl Schlecht Stiftung im Rahmen des „Forschungsfonds Kulturelle Bildung“ des Stiftungsverbundes Rat für Kulturelle Bildung e. V.
Am Anfang Ihres Projektes haben Sie zunächst eine Definition von „Good Leadership“ als Konzept für „gute“ Führung entwickelt – warum war so eine Definition notwendig beziehungsweise gibt es nicht schon genug Führungskonzepte?
Die gibt es und wir haben das Rad auch nicht neu erfunden. Wir lehnen uns bei „Good Leadership“ an bestehende Konzepte an, beziehen aber den Blickwinkel der Kulturellen Bildung und einer kulturpädagogischen, humanistischen Haltung stärker mit ein. Wir haben für das Forschungsprojekt recherchiert, welche Theorien es in der BWL und in den Erziehungswissenschaften zu diesem Bereich gibt. Dabei sind wir auf das dialogische Management, die systemische Führung, die agile Führung und das Leipziger Führungsmodell gestoßen. Alle vier Ansätze greifen zentrale humanistische Aspekte auf: Mitarbeiter*innen einbeziehen, auf Augenhöhe arbeiten, fehlerfreundlich arbeiten, den Menschen etwas zutrauen.
Warum reichen die Konzepte von agiler Führung oder dialogischem Management für die Forschung über Programme mit Kultureller Bildung nicht aus?
Weil in diesen Konzepten die Aspekte fehlen, die das Spezifische der Kulturellen Bildung ausmachen. Sie will Menschen durch das künstlerische Handeln zur Selbst- und Weltgestaltung befähigen. Indem sie die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen fördert, befähigt sie ihn auch, verantwortlich in seinem Umfeld zu handeln.
Was ist bei dem Konzept von Good Leadership anders als in der klassischen BWL?
Bei Good Leadership wird zuerst gefragt: Was braucht der Mensch, damit es ihm gut geht? Denn wenn es ihm gut geht, wird das Unternehmen Erfolg haben. Das ist eine Kehrtwende zur klassischen Betriebswirtschaftslehre, die vom Unternehmen ausgeht. Ausgangspunkt bei Good Leadership ist nicht der wirtschaftliche Erfolg, sondern der Mensch. Damit werden bestehende Wirtschafts- und Führungskonzepte nicht nur einfach erweitert, sondern komplett anders gedacht.
Nach unserer Definition ist für Good Leadership als Führungsansatz kennzeichnend, dass er durch Subjektorientierung, eine wertschätzende Haltung und einen auf Dialog basierenden, gleichberechtigten Umgang zwischen Führungskraft und Team geprägt ist.
Was haben Sie beim Forschungsprojekt herausgefunden, was hat die einjährige Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur bei den von ihnen Interviewten bewirkt?
Für die Teilnehmenden stand ganz klar erst mal die eigene Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund. Wir haben festgestellt, dass die Studierenden noch einmal ihre Glaubenssätze und Lebenseinstellungen überdenken. Sie haben sich intensiv mit den Fragen auseinandergesetzt: Wofür brenne ich? Will ich wirklich nur Geld verdienen oder gibt es Wichtigeres, für das ich mich engagieren kann? Was ist wirklich sinnvoll und trägt zu einer besseren Welt bei? Das künstlerische Handeln hat sie aus ihren Komfortzonen geholt, sie mit anderen Welten konfrontiert, Toleranz gelehrt und ihnen Mut gemacht, Neues zu wagen.
Was wäre das ideale Ergebnis aus einem Programm mit Elementen der Kultureller Bildung – was würde das „anders führen“ ausmachen?
Diese Führungskräfte würden auf Augenhöhe führen, den Mehrwert von Vielfalt erkennen und nutzen, sie hätten keine Angst vor Veränderung, sondern Lust und Mut zu Kreativität, und können es aushalten, dass Veränderung ein Entwicklungsprozess ist und nicht sofort ein Ergebnis da ist. Und sie wären sich ihrer Verantwortung nicht nur für das Unternehmen, sondern für die Gesellschaft bewusst.
Das Forschungsprojekt sehen Sie selbst als eine Auftaktforschung, die zunächst auf die Studierenden geblickt hat. Daraus ergeben sich nun viele Fragen für die Umsetzung des Good Leadership und des anderen Führens in Unternehmen. Wie wollen Sie nach dem Forschungsprojekt an Ihrer Hochschule daran weiterarbeiten?
Zum einen wünschen wir uns, dass wir weiter dazu forschen können, denn es gibt in der Tat noch viele interessante Aspekte. Dafür suchen wir im Moment noch Finanzierungs-möglichkeiten. Als Hochschule für angewandte Wissenschaften möchten wir das Thema aber nicht nur erforschen, sondern auch durch Fort- und Weiterbildungen in die Praxis bringen. Die Frankfurt University of Applied Sciences hat den großen Mehrwert, dass sie nah an den Unternehmen dran ist, und diese großen Wert auf unsere Expertise legen.
Darüber hinaus möchten wir das Thema „Persönlichkeitsentwicklung und gesellschaftliche Verantwortung“ auch in fächerübergreifende Studiengänge wie dem Studium Generale oder den sich in Entwicklung befindenden Masterstudiengang „Mixed Leadership“ an der Akademie für Mixed Leadership einbinden. So können wir schon an der Hochschule dafür sorgen, dass sich Studierende mit ihren Kompetenzen auseinandersetzen und erleben, dass es nicht nur um eine gute fachliche Ausbildung geht. Kulturelle Bildung, die Persönlichkeits-entwicklung und ein Bewusstsein für gesellschaftliche Verantwortung fördert, wird dabei ein wichtiges Thema sein."